Saturday, May 19, 2012

Heimat? Wo bist Du?



Vorwort

Die Suche nach Heimat
Vor etlichen Jahren hatte ich eine große Identitätskrise und ich beschäftigte mich sehr mit diesem Thema, besonders als ich Soziologie studierte und ein Proseminar über das Thema "Heimat" mit Kollegen geschrieben habe.
Die 'große Krise' dauerte lange genug, jahrelang. 
Aber das Leben ist voller Überraschungen, durch die Krankheit, an der ich gelitten habe, habe ich endlich den Begriff 'Heimat' mit anderen Augen gesehen und ihn verstanden.

Wer bin "ich"?

Ich bin als Chinesin in einer kleinen Stadt in Java, Indonesien geboren und aufgewachsen und lebe seit über 15 Jahren mit meinem österreichischen Mann in Wien.
Als katholisch erzogene Chinesin der zweiten Generation von Einwanderern war ich in Indonesien Teil einer kleinen Minderheit in einem Land mit über 230 Millionen Einwohnern, von denen die meisten (über 85%) Muslime und sehr viele (über 40%) Javaner sind, während nur etwa 3.5% Chinesen sind.

Mein Vater hat mir und meinen sechs Geschwistern immer wieder gesagt, dass wir uns gut benehmen müssten, weil wir ja Gäste in diesem Land waren.
Wir mussten unsere Bediensteten immer gut behandeln, weil mein Vater immer wieder betonte, dass wir ohne deren Hilfe nicht gut leben könnten. Wir brauchten einander. Aber am wichtigsten, wir mussten versuchen, Probleme zu vermeiden und in Frieden mit den Einheimischen zu leben, egal wie hoch die Kosten für uns waren.

Auf dem Bild bin ich als Baby in den Armen meiner Mutter zu sehen, mein Vater trägt Brillen, die Dame auf der rechten Seite ist die treue Begleiterin meiner Mutter. Die Frau neben ihr ist ihre Tante, der ganz links stehende Junge ist ihr Sohn. Die restlichen Kinder sind meine Geschwister (meine kleine Schwester war damals noch nicht geboren).
Als Kind wollte ich nicht anders als andere Kinder sein, obwohl ich ja wusste, dass ich anders aussah, weil ich Schlitzaugen und helle Haut hatte, während die Nachbarskinder größere Augen und dunklere Haut hatten. Wenn manche Einheimische schlecht aufgelegt waren, haben sie uns immer wieder gesagt, dass wir nur Gäste seien, und unsere Anwesenheit nicht erwünscht sei. Wir sollten zurück nach China fahren, wo wir hingehörten und noch viele andere verletzende Worte. Aber wir hatten gelernt, das zu akzeptieren. Weil ich ziemlich temperamentvoll bin, war das nicht einfach für mich. Trotzdem hatten wir viele einheimische Freunde und Schulkollegen.

Aus diesem Grund waren wir als Kinder nicht so glücklich oder gar stolz, Chinesen zu sein.
Meine Geschwister und ich wollten deshalb kein Kantonesisch mit unserem Vater sprechen, obwohl er sich immer wieder bemüht hat, mit uns Kantonesisch zu reden.
Eine Erinnerung, die mir bis heute geblieben ist, als er  mich auf Kantonesisch gebeten hat,  ihm eine Gabel zu reichen. Ich habe kein einziges Wort verstanden. Kopfschüttelnd und traurig sagte er zu mir: "Du bist eine Chinesin, aber Du verstehst überhaupt kein Chinesisch.."
Damals war es mir egal. Ja, ich verstand kein Chinesisch, na und?
Außerdem war es damals verboten, in der Öffentlichkeit chinesisch zu sprechen, wozu hätte ich die Sprache lernen sollen?
(Mehr zu diesem Thema findet man (auf Englisch) in diesem Artikel des JakartaGlobe).

Meine Eltern arbeiteten immer sehr hart, von früh Morgens bis spät am Abend. Zu hart, sodass sie, besonders mein Vater nicht wirklich ihr Leben genießen konnten. Er brach Morgens auf, um Reis und Sojabohnen direkt von Bauern zu kaufen, kam spät nach Hause, ging zu unserer Tofu-Fabrik und Reismühle, um dort weiterzuarbeiten. Meine Mutter kümmerte sich um das Lebensmittelgeschäft, während wir in die Schule gingen. Nach der Schule, halfen die größeren Schwestern meiner Mutter.
Wir hatten immer Bedienstete und Arbeiter, die Einheimische (Javaner) waren, die wir  alle gut behandelten,  so dass die meisten bis zu ihrer Pensionszeit bei uns arbeiteten.
Eine Dame folgte meiner (etwa gleich alten) Mutter seit sie 14-15 Jahre alt war, und blieb sogar bei uns, nachdem meine beide Eltern gestorben waren (insgesamt arbeitete sie mehr als 45 Jahre für uns)

Weil wir sparsam mit dem Geld umgingen, konnten meine Eltern ihre 7 Kinder (ich bin Nummer 6, wir sind 6 Mädchen und 1 Bub), in eine private katholischen Schule schicken, obwohl mein Vater ein Anhänger von Konfuzius und Buddhist, meine Mutter eine Protestantin war.
Mein Vater hat mich oft zu seinem Tempel mitgenommen, und ich ging sehr gerne mit, weil es neben dem Tempel eine Eisfabrik gab, und ich manchmal Eis essen durfte.
Außerdem war der Tempel sehr schön, knallrot und voll mit verschiedenen Götterfiguren. Eine Figur die ein böses rotes Gesicht hatte, hatte mich sehr beeindruckt. Oder auch Wandreliefs mit einem Tiger und einem Drachen.

Wandrelief mit Tiger. Leider ist er nicht so imposant, wie ich ihn als Kind erlebt hatte.


Natürlich wollte mein Vater, dass ich oder andere seiner Kinder seinem Glauben folgten, aber wir sind zu einer katholischen Schule gegangen, und wollten ja katholisch wie die anderen Kinder dort sein.
Als wir älter waren, besuchten wir sogar katholische Colleges und Universitäten in einer anderen Stadt. Wieso sollten wir Konfuzianer werden?

Ich besuchte später eine 2-jährige Englischausbildung an der Universität in einer anderen Stadt, 5 Stunden Fahrzeit von meinem Geburtsort. Als Kind, wollte ich schon immer eine 'Wandererin' sein, und war immer von der westlichen Kultur fasziniert, die ich vom Fernseher gesehen hatte. Ich verehrte ALLE, die mit Westen zu tun hatte, und dachte, dass diese Leute viel gescheiter, viel schöner, viel besser als alle anderen wären.
Als Kind habe oft Matrosen, die in Rikschas auf dem Weg zu Bordell waren, gesehen.
Sie winkten uns zu, und ich war sehr glücklich. Ich wusste aber nicht was sie eigentlich im Bordell machen würden.
Ich wollte mit diesen wunderbaren, schönen Leuten reden, aber ich konnte damals kein Englisch.
So lernte ich mit 11-12 Jahren Englisch und war von dieser Sprache total begeistert. Mein Vater hat mich manchmal geneckt, und gesagt, dass ich nicht sein Kind wäre, sondern ein Kind eines westlichen Paares.

Übrigens, war und ist die Verehrung der westlichen Kultur keine Seltenheit.
Ich kannte mehrere Leute, die ihre Nase operieren ließen, damit sie länger und spitzer wie die westlicher Leute aussahen. Manche ließen sich ein Grübchen auf ihr Kinn machen, damit es wie das von John Travolta aussieht. Die Augen ließen sie auch vergrößern, wenn sie noch Geld dazu hatten.
Wenn nicht, verwendeten sie ein spezieller Klebeband für die Augenlider, das man jeden Tag aufklebt, damit die Augen endlich eine Lidfalte bekommen und größer aussehen. Aber sobald man das Tixo abnimmt, ist die Lidfalte ja wieder verschwunden. Man muss also jeden Tag wieder ein Band aufkleben.
Es gab einige Frauen, die wie eine Gruppe von Klonen aussahen, weil sie sich vom selben Arzt operiert worden waren. Mir war dieser ganze Schönheitswahn egal. Schon von früher an, wusste ich ja, dass ich keine Schönheit war, weil manche Leute mir das deutlich gesagt haben.

Ich war sehr glücklich, als ich in Wien angekommen war, um zu studieren und mit meinem Freund zusammen zu leben.
Obwohl es von Anfang an klar war, dass ich alles alleine machen musste, was zu Hause unsere Bediensteten gemacht hatten, gewöhnte ich mich schnell an die für mich neuen Aufgaben.
Schließlich lebte ich doch in diesem sehr schönen, westlichen Land dessen Leuten ich so bewundert hatte. Endlich war mein Traum, im Westen zu leben, wahr geworden. Außerdem, dachte ich, würde ich nie mehr wegen meines chinesischen Aussehens Probleme haben!
Ich fühlte mich sicher, sehr sicher sogar. Als Frau, und Chinesin,  konnte ich endlich ohne Angst auch Nachts ausgehen.

Ich lernte nicht nur eine neue Kultur kennen, sondern auch kochen, Kuchen backen, putzen, und vieles mehr, auch dunkles Brot. Mein erstes dunkles Brot, Finnenbrot, hat mein  Freund  beim Ströck gekauft. Wir aßen es immer mit Butter und Schnittlauch zum Frühstuck. Grundsätzlich mag ich kein Brot weil es für mich wie ein Schwamm schmeckt. Aber Finnenbrot und andere Brotsorten von Ströck esse ich gern vielleicht weil das Brot und die Bäckerei meine Erinnerungen an die damalige Zeit erweckt.

Niemand war glücklicher als ich, dachte ich
Aber mein Euphorie verging schnell. Niemand hat mir gesagt, dass ich aus diesem Land verschwinden sollte, aber ich hatte andere Probleme.
Obwohl ich versuchte so gut wie möglich, mich zu integrieren und dabei immer an die Ratschläge meines Vaters dachte,  war es sehr schwierig, WienerInnen kennenzulernen.
Die Leute in Wien waren anders:
Sie wirkten abweisend. Die meisten in der U-Bahn sahen so unglücklich aus, ihre Augen waren leer, und ihre Gesichter sahen müde und betrübt aus.
Eine amerikanische Studentin fragte mich ein mal, 'warum die Gesichter der Leute so aussehen, als ob eine dunkle Wolke über ihnen schwebt?'.
Die Verkäuferinnen in vielen Geschäften waren nicht so nett, manchmal sogar sehr unhöflich.
Sie gaben mir diesen Blick, den ich als 'schleich Dich und zwar sofort, Du störst mich, ich habe gerade keine Lust, Dich zu bedienen!' interpretierte. Diese Geschichten von unfreundlichen Geschäftsleuten waren ein häufiges Thema von anderen Ausländern, mit deren ich viel zu tun hatte, als ich in einem internationalen Frauenverein arbeitete.
Eine Kanadierin die mit einem Diplomat verheiratet war,  erzählte mir einmal schockiert, kopfschüttelnd und aufgeregt, dass 'eine Kassiererin ihr das Rückgeld einfach so hinschmissen hatte.' Es sei ihr in keinem der vielen anderen Länder passiert, in denen sie gelebt hatte, sondern nur in Wien. In 'deinem Bezirk', fügte sie mit bösem Blick hinzu, als ob es meine Schuld gewesen wäre, dass die Kassiererin gar keine Manieren hatte.
Nicht nur die Kassiererinnen aber auch Kellner/innen einigen Lokalen waren so grob, dass ich mich nicht mehr traute, sie zu rufen, um ihre sauren Gesichter nicht unnötig zu sehen.

In Wien, lernte ich viel nicht nur über Menschen, sondern auch die wirkliche Bedeutung der Worte 'Unfreundlichkeit' und 'Einsamkeit'.
Eine alte Frau, die ich kannte und schon vor ein paar Jahren verstorben war, sagte mir einmal, 'Weißt Du, es ist nicht die Krankheit, die mich umbringen wird, sondern diese unerträgliche Einsamkeit.'
In Wien, lernte ich schnell, dass nicht alles wahr ist, was ich aus dem Fernsehen gelernt oder gesehen habe.
In Wien, lernte ich, dass das Leben sehr hart war (und ist).

Ich will nicht das Leben als Mitglied einer Minderheit in Indonesien verherrlichen, es gab Zeiten wo die politische Lage uns sehr beunruhigte, wie im Jahr 1998, aber in Indonesien kannte ich die Bedeutung von Einsamkeit nicht. Die meisten Leute interessieren sich für die anderen. Ich war ständig von Leuten umgeben, von Früh bis spät am Abend.
Zu Hause waren wir eine große Familie, einige Bedienstete wohnten bei uns, sie kochten und putzten für uns, so dass ich nie mein eigenes Geschirr waschen musste. 
Wir hatten immer über 15 Hunde, Vögel, Katzen, Enten, Gänse, Hühner und andere Tiere.
Weil wir viele Leute kannten, war es leichter als hier, Arbeit zu suchen.

Als das Internet noch nicht so verbreitet war, versuchte ich, per Telefon Arbeit zu suchen. Obwohl in den Inseraten nichts davon stand, wurde mir sehr oft erklärt, dass die Firma eine Person suchte, deren Muttersprache Deutsch war.
Meistens sagten sie ganz kurz und bündig, 'die Stelle ist schon vergeben!' und legten den Hörer sofort auf, sobald sie meinen Akzent hörten, obwohl die Stellenanzeigen gerade erst einen Tag alt waren.
Eine Dame schrie so laut 'keine Stelle!!!', dass ich vor Schreck fast vom Sessel gefallen bin.
Ein zweites negatives Wort, das ich bald kennen lernte, war 'deprimiert'.

Als ich neu hier war und versuchte, auf Deutsch zu sprechen, hatte ich oft den Eindruck, dass manche Leute mich schief angeschaut haben. Statt Lob zu bekommen, wie ein Ausländer in Indonesien, wenn er versucht, Indonesisch zu sprechen, erntete ich verächtliche Blicke.
Das Wort 'AUSLÄNDERIN' war sehr groß auf meine Stirn gestempelt.
Zum zweiten Mal, wurde ich wieder ein Gast in einem anderen Land. Wie deprimierend! 

So als ich eines Tages mit meinem österreichischen Mann nach China reiste, war ich sehr froh, zu sehen, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht auffiel, die Leute sahen ähnlich wie ich aus, Schlitzaugen, gelbliche Haut. Ha, endlich würde niemand sagen, dass ich Ausländerin sei!
Aber dann gab es bald einen Zwischenfall, wo ich auf Chinesisch gefragt wurde und kein einziges Wort verstand. Dann sagten diese Leute, dass ich keine richtige Chinesin sei. Ich gehörte nicht zu ihnen, meine Muttersprachen sind Indonesisch und Javanisch. Ich war Huáqiáo (Auslandschinesin), keine richtige Chinesin, wieder Ausländerin.

Ich hatte früher eine chinesische Staatsbürgerschaft, die ich für die indonesische aufgegeben hatte. Danach war das Leben leichter, weil ich meinen indonesischen statt dem chinesischen Namen eintragen durfte, und ich konnte so einfacher einen Studienplatz auf der Uni bekommen.
Nachdem ich geheiratet habe, hatte dann die indonesische Staatsbürgerschaft aufgegeben und gegen die österreichische umgetauscht.
Das Leben ist damit leichter, weil ich dann ohne Visum in viele Länder fahren darf. Ich bin EU-Bürgerin.
Aber leider  'verriet' mich mein Aussehen. Ich bleibe und sehe wie eine Chinesin / Asiatin aus, deren Muttersprachen Indonesisch und Javanisch sind, die aber in Österreich wohnt. Deutsch ist nicht meine Muttersprache.
Ich bin Ausländerin. Überall. Und immer.

So began ich mich ernsthafter mit dem Thema 'Heimat' zu beschäftigen.
Natürlich war dieses Thema nicht neu, aber in Indonesien hatte ich nicht viel darüber nachgedacht, weil ich mich dort wie gesagt, nicht allein fühlte, anders als in Wien.
Das Wort 'Heimat' wurde von einem von unserer Interviewpartner im Soziologie-Proseminar so beschrieben: 'wenn ich mich wohl fühle, also wenn ich mit meinen Freunden und meiner Familie zusammen bin.'
Ich hatte ja meine Familie nicht, richtige Freunde hatte ich damals noch keine.
Meinen Freund (jetziger Mann) hatte ich, aber er arbeitete sehr lange, und oft war ich alleine zu Hause. Ich ging zum Vorstudienlehrgang und lernte dort mehrere Schülerinnen besser kennen. Aber wir kamen einander nicht so nahe, wie ich es mit meinen früheren Freunden war. Wir unternahmen einiges gemeinsam, aber innerlich kamen wir einander nicht näher.
Vielleicht lag es daran, dass nicht nur unsere Kulturen ganz verschieden waren, aber auch dass wir nicht gleiche Art von Humor hatten. 

So sehr sehnte ich manchmal nach Freundschaft und menschlicher Wärme, dass ich manchmal verzweifelte und dachte, 'ich habe Bekannte, aber keine Freunde, mit deren ich mich wirklich wohl fühle. Das Land ist wunderschön, aber viele Leute schauen nicht glücklich aus. Eines Tages werde ich auch wie sie sein, einsam und unglücklich. Was soll ich mit meinem Leben dann machen?'
Ich wollte trotzdem nicht in die indonesische Botschaft gehen um indonesische Leuten zu treffen. Schliesslich war ich ja in dieses neue Land gekommen, um ein neues Leben zu beginnen. Nach Indonesien zurückzufliegen kam für mich nicht in Frage. Ich würde kein Gesicht mehr haben weil das hieße, ich hätte meine Träume aufgegeben. 

Die Worte wie  'grübeln', 'raunzen' oder  'jammern' gehörten bald zu meinem Alltag.
Früher habe ich fast nie gejammert, aber anscheinend lernte ich negative Eigenschaften besonders schnell, besonders wenn ich fast jeden Tag miterlebte, wie die Leute das so oft tun. Sie jammerten über das Wetter, über das Leben, beinahe über alles. Ich wurde angesteckt, und bald konzentrierte auch ich mich nur auf die negative Seiten, und jammerte 'gern'. Ich musste mich ja schliesslich integrieren, oder? Wenn viele WienerInnen das tun, sollte ich es auch tun. Wenn man in Rom lebt, sollte man wie ein Römer leben. Der Bericht der BBC-Korrespondentin Bethany Bell zeigt, dass ich nicht die einzige bin, der das auffällt.

So jammerte ich nicht nur über mein unglückliche Lage, aber auch über die höllischen Halsschmerzen, die plötzlich gekommen waren, etwa 2 Jahre nachdem ich in Wien angekommen war.
Die lästigen Schmerzen besuchten mich 2-3 Male / Woche, manchmal dauerte die Schmerzen 1 Woche, manchmal weniger oder länger, oft waren sie von Fieber begleitet.
Ich habe sehr darunter sehr, sehr gelitten da ich in Indonesien fast immer gesund war.
3 Tage war ich völlig gesund, und plötzlich hatte ich wieder Halsschmerzen und so weiter. 
Ich ginge zu verschiedenen Ärzten, die mir immer wieder Schmerztabletten und Antibiotika verschrieben, und meinten, ich hätte entweder 'virale' oder manchmal 'bakterielle' Infektion oder 'Rachenentzündung', 'Mandelentzündung' usw. Ich hatte (damals habe ich gezählt) 9 verschiedene HNO-Ärzte besucht, ohne dass sich meine Lage verbesserte, auch nach dem meine Mandeln wegoperiert worden waren. 
Mit der Zeit hatte ich  2-3 große Plastiksäcke mit Schmerzmittel gesammelt, die ich wegen meinem anscheinend empfindlichen Magen nicht einnehmen konnte. 
Ich war verzweifelt, und dachte schon daran, aus dem Fenster zu springen, damit das Elend ein Ende findet. Wozu sollte ich weiterleben, wenn ich dauernd an starken Schmerzen litt?
Diese schwierige Phase, über 10 Jahre lang hinweg krank zu sein ohne die Ursache zu kennen, und nur für ein paar Tage gesund bleiben zu können, veränderte meine Ansicht über Glück.
Mir wurde langsam klar, was wichtigste für mich war, mehr als alles andere: die Gesundheit.
Ich war so froh und dankbar, wenn ich eine Woche lang ohne Beschwerden den Alltag leben konnte.
Die ganze Grübeln über meine Identität/Nationalität schien im Vergleich dazu nicht mehr wichtig zu sein.
Die Hauptsache war, wieder gesund zu werden. Alles andere war nicht mehr so wichtig.
Durch das ständige Gefühl, krank zu sein lernte ich langsam, meinem Körper zuzuhören, mehr auf mein Wohlbefinden zu achten, und mich mehr mit dem Thema Gesundheit statt mit meiner Identität oder Heimat zu beschäftigen.
Ich habe viele Gesundheitsratgeber gelesen und mein Leben umgestellt. Ich informierte mich über Gesundheit für Körper, Geist und Seele und versuchte, mich bewusster und gesünder zu ernähren. Ich bin auch spiritueller geworden.
Ich wurde, wie mir manche Leute sagten, ein Gesundheitsjunkie. Ich habe ein Ess-Tagebuch geführt, alles notiert, was ich aß und trank, und die Symptome danach.

Trotz der vielen Bemühungen und meiner Lebensumstellung, hatte ich das Problem noch nicht im Griff, bis eines Tages habe ich zufällig einen Artikel entdeckte, der, so kitschig es klingen mag, mein Leben veränderte.
Ich hatte die Ursache meiner schmerzhaften Hals-Probleme gefunden!
Ich konnte es kaum glauben, da ich dieses Artikel schon lange im Besitz hatte, aber nicht genauer gelesen hatte.
Während ich meinen Kasten aufräumte, habe ich das Papier entdeckt, das Informationen über Nebenwirkungen von Natriumglutamat (Geschmacksverstärker) enthielt.
'Geschmacksverstärker verursachte Magenbeschwerden' und die Symptomen von den Beschwerden wurden ausführlich beschrieben, ein von ihnen war der Reflux.
Ich recherchierte gleich über Reflux und fand heraus, dass es 2 verschiedene Arten gibt; GERD und silent oder laryngopharyngeal reflux. Die Symptome von silent reflux, die ich hatte,  gehören zu den schwer zu diagnosierenden.

Kein Wunder, dass ich immer wieder fehldiagnostiziert worden war!
Nachdem ich erfahren habe, dass die Krankheit eine bestimmten Namen hatte, hatte ich mein Leben wieder Griff. Ich habe viel über Reflux recherchiert und gelernt, bestimmtes Essen zu vermeiden und mein Leben anders zu gestalten. Seitdem ist meine höchste Priorität, gesund zu sein und zu bleiben. Ich war so dankbar, dass ich wieder gesund sein kann, dass ich viele Dinge anders betrachte.
Wenn man so lange leidet, weiß man, wie wertvoll die Gesundheit ist und man weiß sie zu schätzen.

Es stimmt, dass manche VerkäuferInnen unhöflich sind, viele Leute ständig jammern, aber jetzt denke ich, dass das was sie machen nicht mit mir persönlich zu tun hat, ich war nicht die Ursache ihrer Unzufriedenheit.
Ich versuche, fröhlich und höflich zu sein damit sie von mir angesteckt werden. Manchmal beim Einkaufen, lobe ich die die Geschäftsleute 'Sie sind sehr geschickt, können sehr schnell und schön verpacken...' und häufig funktioniert diese Anerkennung. Ich bekomme ein Lächen zurück.
Stimmt, dass einen Job als Ausländer zu suchen ist immer trotz allem schwierig,  besonders wenn man keine Beziehungen hat, aber ich habe noch Glück, einen Job zu haben, dass ich zumindest die Versicherung noch zahlen kann.
Ja,  ich habe bis jetzt noch keine Freunde gefunden, die mir so nahe stehen wie die, die ich Indonesien hatte, aber ich treffe mich immer wieder nette und interessante Leute, die mein Leben bereichern.
Was ich in einer Person nicht finde, finde ich in bei anderen. Mit einer Person kann ich über den Alltag reden, mit einer zweiten kann ich verschiedene Veranstaltungen besuchen, mit den anderen kann ich über Gesundheit und Psychologie reden, usw.
Ja, ich habe keine Heimat in der Sinne, dass ich voll akzeptiert bin, wie mein Mann, der einen richtigen österreichischen Namen, richtiges Aussehen, Sprache, und drum und dran hat. Er hatte deshalb nie Probleme, seine Heimat zu finden
Aber ich bin dadurch vielseitiger, ich lebte in mehreren Kulturen, bin anpassungsfähiger, und habe mehr Erfahrungen gesammelt. Mein Leben ist wie ein Meer mit großen und kleinen Wellen, während sein Leben wie ein ruhiger Fluss verläuft.

Mein Vater sagte seinen Kindern, dass man nicht immer nach oben, sondern auch nach unten sehen soll: es gibt Leute, die eine echte 'Heimat' haben, aber wegen Krieg und Elend flüchten müssen.
Das Leben in Österreich ist immer noch wie früher, hart, und vielleicht sogar härter wegen der Finanzkrisen, zunehmender Armut und Kriminalität, usw.
Ich habe noch riesiges Glück, dass ich keinen Krieg erleben musste und habe noch ein Dach über dem Kopf habe.
Ich hatte eine unbeschwerte Kindheit, hatte Eltern, die ihren Kindern das Beste geben wollten, eine gute Ausbildung, einen Ehemann, der er mir zwar das Gefühl gibt, dass ihm die Arbeit wichtiger ist als alles andere (mich), aber er ist ein gutherziger Mensch und unterstützt mich im Leben und auch dabei, diesen Blog zu schreiben. 
Ich lebe in einem schönen Land, kann reisen so wie ich mir als Kind immer wieder wünschte, eine Wandererin zu werden.
Ich  habe die Chance,  im Leben zu lernen und mich weiterzuentwickeln, Dinge positiver zu betrachten (obwohl man die ansteckende Krankheit, Jammern, nicht 100% loswerden kann).
Und ich habe meine Gesundheit.

Egal wo ich lebe, so lange ich gesund bin und so bleibe, fühle ich mich schon sehr dankbar und glücklich. Heimat für mich ist kein Ort, sondern mein eigener Körper, Seele und Geist, die ich habe, so lange ich lebe.
Heimat ist in mir selbst.

Anmerkung:

Natürlich fragte ich mich selbst, warum keiner der Ärzte, die mich untersuchten hatten, zu dieser Diagnose silent reflux kamen. Aber Ärzte sind nur Menschen, und sie hatten anscheinend nicht genügend Zeit mich genauer zu untersuchen, und die Symptome die ich hatte waren ähnlich wie bei bakteriellen oder virale Entzündungen, was die häufigen Fehldiagnosen erklären könnte.
Ich habe unlängst mit einer Kollegin darüber gesprochen, sie erzählte mir, dass ihr Freund jahrelang an starken Halsschmerzen litt aber nie zum Arzt gehen wollte, bis ihm eines Tages jemand empfahl, zu einem HNO Arzt zu gehen.
Der Arzt (dessen Ordination zufällig in der Nähe meiner Wohnung ist) stellte gleich fest, dass es sich um silent reflux handelte, und beendete dadurch schnell das Leiden.
Was für eine Ironie! Hätte ich diesen Arzt schon früher entdeckt, hätte ich nicht so lange leiden müssen, wäre mein Magen von Schmerzmitteln nicht so gereizt, wären meine beide armen Mandeln noch da..., aber dann wäre ich ein anderer Mensch geworden, und vielleicht noch immer auf der Suche nach Heimat.

Und dieser Blog würde nie existieren.
















































4 comments:

Lisa said...

Liebe Cahaya,

Deine Beobachtungen über Wien kann auch ich bestätigen - dabei ist meine Muttersprache Deutsch, und ich bin kaukasisch, sogar blond, Wienerin halt.
Genauso wie Du versuche ich (meistens) zu anderen freundlich zu sein, je grantiger die anderen sind, desto freundlicher bin ich. Und wenn ich nur irgendetwas Positives entdecke, mache ich das Kompliment auch gleich.
Es tut mir leid dass es Dir in Wien so ergangen ist.
Es tut mir leid dass Du keine korrekte Diagnose erhalten hast. Ich hatte Urticaria, und die einzige Lösung der Ärzte war Prednisone, ein Kortison-Medikament. Erst als ich auf eigene Faust eine 35 Tage Saftkur gemacht habe, verschwand der mysteriöse Ausschlag und ich hatte ihn seither nie wieder.
Es tut mir auch leid dass Du keine "echte Heimat" hast, weder da noch dort. Ich bin vor 5 Jahren von Wien nach Australien gezogen, weil ich mal im Ausland leben wollte, und dann vor einem halben Jahr nach Toronto. Unglaublich wie nett die Leute dort sind :-)
Toronto ist ausserdem dermassen ein melting pot, erst da fiel mir auf wie wenig Wien es im Gegensatz ist. Aber das Gute ist immerhin, dass es besser wird. Ich bin gerade auf Familienbesuch in Wien und merke zumindest zarten Fortschritt - nicht nur österreichische (oder kaukasische) Verkäuferinnen in einer Back Filiale zum Beispiel. Als ich vor Jahren in London in einem Geschäft von einem Afrikaner beraten wurde, fiel mir auf dass mir das in Wien noch nie passiert ist, in keinem Geschäft, keiner Bank, nirgendwo.
Schade dass ich nicht in Wien wohne, dann könnten wir auf einen Kaffee (ok, einen Smoothie .. denn Kaffee sage ich zwar, trinke ich aber nicht :-) ) gehen.
Und nochwas - vielleicht hast Du einen Akzent, aber Deine schriftliche Ausdrucksweise ist einwandfrei und Dein Stil sehr lesenswert, zumindest für mich.

Alles Liebe,

Lisa

Cahaya said...

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Hallo Lisa, Es ist gut zu hören, dass Du den Ausschlag mit dem Saftkur heilen konntest. Vielen Dank für den wertvollen Tip! Ich habe Deinen Blog besucht, er ist informative und interessant. Vielleicht soll ich eine Saftkur versuchen weil ich vor kurzem mit Psoriasis diagnostiziert wurde.
Wow, ich finde, dass Du sehr mutig bist, von 'Austria' nach 'Australia' & endlich Toronto. Ja mit der Heimat, ich suche meine 'Heimat' nicht in einem Land weil ich nicht glaube dass ich sie dort finden werde. Nun versuche ich, jeden tag dankbar zu sein, obwohl es nicht immer so leicht ist. Mein Mann ist mein Editor, er korrigiert mein Deutsch:-) Vielleicht wenn wir wieder nach Kanada fliegen, können wir uns dort treffen und Smoothie trinken:-)? Oder schreib mir wenn Du wieder nach Wien kommst. Ich hoffe, dass Du einen angenehmen Aufenthalt in Wien hattest, und den Herbst geniessen konntest. Schöne Grüße, Candra

Judith Mckimm said...

Ich kann Ihre Heimatsuche gut nachvollziehen. Sie tragen durch Ihre Lebens- und Familiengeschichte mehrere Kulturen in sich und sind den steinigen Weg der Anpassung gegangen. Auch ich habe nach einer Heimat lange gesucht und kam schliesslich zu der Erkenntnis, zu der auch Sie gekommen sind: es ist kein Ort, sondern man findet Heimat nur in sich selbst. Und man findet auch seine eigene Anpassungsstrategien, mit denen man im Alltag gut klar kommt, jedoch sich selbst gleichzeitig treu bleiben kann. Man ist eben nicht Eine, sondern Viele zugleich, mit mehreren Sprachen und Weltansichten vertraut und passt daher nicht in ein einziges Schema hinein, wie Menschen, die ihr ganzes Leben im selben Land immer "dazu gehört" haben. Wirklich verstehen können einen nur Menschen, die eine ähnliche Erfahrung gemacht haben und deren gibt es einige.

Anonymous said...

wow, das war ein perfektes Post. Gratuliere!